JOACHIM ZANDER
Auch im Saalekreis wird gefunkt — Die Morsetelegrafie als Weltkulturerbe
Wohl kaum eine Erfindung wirkte im Laufe der Menschheitsgeschichte so umwälzend und hat die Entwicklung der gesamten Welt derartig entscheidend beeinflusst, wie die der Signalübertragung durch elektromagnetische Wellen. Einige Nationen wetteifern eigenartiger weise um die Priorität der „Erfindung des Radios“, wie sie es nennen. Man kann heute getrost behaupten, dass diese Entdeckung um das Jahr 1900 quasi „in der Luft lag“. Immer mehr Menschen interessierten sich für die Funktechnik. Am 27. August 1897 führte Adolf Slaby erfolgreich Nachrichtenversuche mit elektromagnetischen Wellen über die Havel bei Potsdam durch. Er war Professor für theoretische Maschinenlehre und Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. Diese Versuche waren offensichtlich die ersten Versuche dieser Art auf deutschen Boden. Slaby hatte schon früher, nach bekannt werden der grundlegenden Arbeiten von Heinrich Hertz, eigene Ausbreitungsversuche unternommen. Im Mai 1897 wohnte er auf Einladung der englischen Telegrafenbehörde, den Versuchen von Marconi am Bristol-Kanal bei. Zurückgekehrt nach Berlin setzte er seine Nachrichtenübertragungsversuche mit den neu gewonnen Erkenntnissen, unter Verwendung von Antennen und einer Erdung auf der Sende und Empfangsseite erfolgreich fort.
Slaby hatte mit seinen Untersuchungen wertvolle Pionierarbeit geleistet. Er berichtete über seine Erfolge an der Technischen Hochschule und in Vorträgen über die Bedeutung der drahtlosen Funktelegraphie, vor allem für militärische Aufgaben, aber auch für die mitSchiffen. Der Erfinder, der aus Punkten und Strichen bestehenden Funkentelegraphie, war der amerikanische Kunstmaler Samuel F. B. Morse (1791 —1872). Nach ihm ist das Telegraphiealphabet „Mersealphabet“ benannt.
International und weltweit wird ein etwas vereinfachtes Alphabet von dem deutschen Beamten. Friedrich Clemens Gerke (1801—1888), benutzt. Es ist durch einen deutsch-Österreichischen Vertrag als verbindlich ein-geführt wurden und hat, da es wesentlich praktischer ist als die Buchstabenkombinationen von Morse. seit dem 19. Jahrhundert die jetzige, universelle Bedeutung und Aus-weitung erfahren. Dennoch redet man im—mer noch von Morsetelegraphie und dem Morsealphabet. Im Laufe der Zeit wurde die Funktechnik immer Weiterentwickelt und verfeinert. Sie gelangte im zivilen sowie im militärischen Nachrichtendienst immer mehr an Bedeutung. So nahm am Anfang des vorigen Jahrhunderts die Moretelegraphie über Funk in der Schiffs— und Luftfahrt immer mehr zu. Man hatte die Bedeutung dieser Nachrichtenübertragung erkannt. Aber nicht nur die kommerziellen Funkdienste nutzten das Morsealphabet. Auch die immer mehr werdenden Privat- bzw. Amateurfunker nahmen das neue Medium für sich in Anspruch. Der Grundstein zum Amateurfunk in Deutschland wurde im Jahre 1920 gelegt. Es waren zwei junge Deutsche die eine Funklinie ohne Genehmigung betrieben. Zu ihnen gesellten sich im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Funkfreunden. Auch in anderen Ländern waren es technikbegeisterte Menschen, welche sich vermehrt mit der drahtlosen Funktechnik und dem Morsen beschäftigten. So kam es im Jahre 1925 zur Gründung der „Internationalen Amateur Radio Union (IARU). Zu diesen Zeitpunkt wurde auch die sogenannte „lnternationale Funkverkehrssprache“ in Morsetelegraphie weiter verbreitet. Darunter fallen auch die bis heute noch gebräuchlichen Amateurfunkverkehrsabkürzungen. Bei den Kürzeln handelt es sich um komplexe funkamateurspezifische Kürzel, von denen allerdings auch einige bei kommerziellen Funkdiensten genutzt werden. Aus historischen Gründen heißt die Morsetelegraphie „CW“. Die korrekte Bezeichnung ist, Träger getastete, unmodulierte Telegraphie, für nicht maschinellen Empfang. Telegraphie — CW — ist Tastfunk, also Funkverkehr im Morsecode, wobei die Codierung und Decodierung nicht maschinell, sondern unmittelbar vom Funker erfolgt. Die aktive Kenntnis des Morsecodes ist eine unabdingliche Voraussetzung. CW soll als Sprache verstanden werden, und gutes Telegraphieren muss gelernt werden. Es muss sozusagen ins Blut übergehen. Die CW-Sprache stellt eine ganz besondere Herausforderung an den Funktelegraphisten, aber sie ist die einzige Betriebsart, die weltweit Amateurfunkverkehr ohne Fremdsprachenkenntnisse, mit der Beherrschung weniger Kürzel ermöglicht. Wenn die spezifische Betriebsabwicklung erlernt ist. dann ist auch CW die reinste Freude! Natürlich ergibt sich mit steigender Erfahrung und den Knüpfen von Freundschaften das Bedürfnis, auch längere, ausführlichere Verbindungen zu tätigen, bei welchem zwangsläufig auch „offene Sprache“ durch Morsezeichen verwendet wird. Die Technik hat in allen Bereichen unseres Lebens in solch einem Maße Eingang gefunden, so dass wir ohne Sie nur schlecht zurecht kämen, Diese Entwicklung verdanken wir u.a. der seit vielen Jahren populär gewordenen Freizeitbeschäftigung des Amateurfunks. Der Amateurfunkdienst ist ein international anerkannter Funkdienst technisch experimenteller Art, der von technisch interessierten Laien, eben „Amateuren“ ausgeübt wird. Als solcher umfasst er heute in der Bundesrepublik Deutschland eine Gruppe von ca. 75 000 engagierten Menschen, die sich mit der Funktechnik befassen und sich in zunehmendem Maße neben technischen und wissenschaftlichen auch sozialen, der Völkerverständigung dienenden, sowie humanitären Aufgaben und Zielen widmen.
Ab 1954 waren Funkamateure des Saalkreises an den Klubstationen der Zuckerfabrik Löbejün DM4EH, der Klubstation der Relaisfunkstelle der Deutschen Post auf dem Petersberg DM4SH und der zentralen Ausbildungsstation der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) in Oppin DM3XH. im weltweitem Funkverkehr, vorwiegend in Telegraphie tätig. An den Klubstationen erlangten technisch interessierte Personen eine umfangreiche Ausbildung in Technik und Selbstbau von Funktechnik. Nach bestandener Prüfung in Telegraphie, Technik und Betriebsdienst bekamen sie eine Funkgenehmigung, mit dem entsprechend dem Standort der Funkstation bezogenes Funkrufzeichen. Einige Empfangsbestätigungskarten. Nach der Deutschen Wiedervereinigung fielen die Funkrufzeichen aus der DDR weg. Die im Saalkreis beheimateten Funkamateure bekamen neue Funkrufzeichen von der Bundespost zugeteilt. Es gibt heute im historischen Saalkreis (nicht vollständig) die Funkrufzeichen:
- DBOPET auf dem Petersberg
- DBOSK in Schwerz
- DL1HZA in Brachwitz
- DL1 HUB in Hohenthurm
- DHOVB in Sennewitz
- DL2HRS in Dieskau
- DL3HWD in Langenbogen.
Durch die Funkamateure mit den vorgenannten Funkrufzeichen wird der Saalkreis weltweit in Telegraphie, im Sprechfunk, beim Amateurfernsehen und vielen digitalen Sendebetriebsarten bekannt gemacht. In den Tageszeitungen sind sicher schon Meldungen aufgefallen, in denen die Hilfeleistungen bei Katastrophen durch Funkamateure berichtet wurde. Da haben Funkamateure auf ungewöhnliche Weise
Medikamente beschafft oder sie haben den Transport schwerkranker aus Unglücksgebieten organisiert. Notrufe über Amateurfunkstationen waren vielfach die letzte Chance bei Verzögerung, oder Ausfall der normalen Nachrichtenwege. Die Standorte der Funkamateure erkennt man oft schon an den der Eigenart der Wellenlänge angepassten Antennenbauten. Die Amateurfunkantennen sollten auch als eine Art „Bauwerke für ein friedliches Nebeneinander“ angesehen werden.
Nach Aufgabe der kommerziellen Morsetelegrafie im See-, Flug- und Militärfunk, startete der deutsche Funkamateur Johannes Amchewicz DK8JB, 2008 einen Aufruf mit dem Ziel, CW durch die UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Diese Idee fand weltweite Zustimmung. Mit dem „Arbeitskreis Weltkulturerbe Morsetelegrafie“ hat er sich um ein internationales Netzwerk zur Durchsetzung dieses Zieles bemüht. Mehr noch als andere aussterbende Minderheitssprachen hat CW die Entwicklung der Fernmeldetechnik über ein Jahrhundert lang begleitet und das weltweit. Telegraphie hat Sprachbarrieren überwunden und somit zur Völkerverständigung beigetragen. Diese Kunstsprache mit all ihren Abkürzungen wird auch heute noch von Funkamateuren am Leben erhalten, trotz vieler modernerer Übertragungsverfahren. Eine Anerkennung hätte große Öffentlichkeitswirkung. Am 12. Dezember 2012 beschloss das Bundeskabinett den Beitritt Deutschlands zum UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes‚ am 9. Juli 2013 trat es in Kraft. Damit kann CW voraussichtlich im November 2015 von der UNESCO in die Liste aufgenommen werden.
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Argumente für CW als Weltkulturerbe:
- In Gesamtheit der Morsezeichen, mit Abkürzungen und Verkehrszeichen handelt es sich um Sprache, die weltweit (bei Funkamateuren) in Gebrauch ist.
- CW hat eine über 175-jährige Geschichte.
- Der Pflicht zur Erhaltung und internationalen Orientierung wird per Amateurfunkgesetz mit der Verpflichtung zur Völkerfreundschaft nachgekommen.
- Weltweite Amateurfunkverbindungen in CW sind Alltagsgeschäft der Funkamateure .
- Amateurfunk ist privat und ideell, es gibt keine Kommerzialisierung. Der CW-Antrag verfolgt keinerlei finanziellen Interessen und solche sind auch nicht zu befürchten.
Der Beitrag soll aufzeigen, welch großartigen Erfindergeist unsere Urgroßväter und Großväter auf dem Gebiet der Funktechnik leisteten. In einer Zeit, in der Rundfunk, Fernsehen und auch Funktelefon aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind, kann man die Ereignisse vor über 100 Jahren in Deutschland gar nicht genug würdigen.
Joachim Zander DL1HZA
Mitglied im Ortsverband Wl9
Des Deutschen Amateur-Radio-Club e.V.
Quellennachweis:
CW-Handbuch für Funkamateure‚ 1.Auflage 1963. von W. F. Körner DL1CU
Geschichte des Amateurfunks. 2. Auflage von Otto A.Wnsner DJSQK
Schriften des DARC e.V.
Literatur des Ortsmuseum Brachwitz
Eigene Unterlagen von DL1HZA
Originale Seiten aus dem Heimatjahrbuch 2014